Das einfache und pure Insel Leben

Der halbtote Rennradfahrer

Neben mir auf der Terrasse vom Pura Vida Hostel auf Gran Canaria ein schnarchender und scheinbar in sekundenschnelle alternder Mann. Er liegt in voller Rennradmontur auf einem Haufen Sitzsäcke. Sein Körper an die Säcke angepasst. Dünne, altbraune Lederhaut und Tattoos, die mindestens vor meiner Geburt gestochen wurden (P.S.: Ich bin 30). Seine langsamen Bewegungen ähneln die eines Beamten, wenn die Abteilungsleiter mal nicht im Büro sind. Seine grauen, kurzen Haare und sein freundliches, ruhiges, aber sehr müdes Gesicht haben Geschichten erlebt und Geschichte geschrieben.

Ist das seine letzte Radtour hier? Fühlt sich für mich so an. Und für ihn vielleicht noch mehr. Wenn ich mich morgens über meinen Rücken beschwere, würde er sich drüber freuen, dass es nur der Rücken ist. Aber er sieht dennoch fit aus. Also .. körperlich .. irgendwie. Seine Ausstrahlung hingegen verliert an Licht.

Ich hab mich übrigens vertan. Er liegt hier nicht in kompletter Rennradmontur. Jetzt, wo er von dem Sitzsack Haufen auf die Couch wechselt, sehe ich seine Hose. Orange, lang, stoffig. Wie aus einem Räucherstäbchen- und Steineladen. Sieht gemütlich aus. Den Luxus der Gemütlichkeit hat der gute Herr sich beim Radfahren auch allemal verdient.

Er fährt (wenn du das wissen willst) ein schwarzes, schickes, Bike. Heutzutage nennt man die Dinger, Gravel-Bikes.. oder so. Auf jeden Fall von Sepcialized. Jutes Ding.

Dünner Instantkaffee aus einer gelben Plastiktasse

Ich war übrigens schon ne Runde am Strand joggen. In Boxershorts. Weil ich meine Badehose verloren habe. Aber bei der Größe, war das klar. Ist nämlich so’n Eierkneifer, in schwarz. Meine Kumpels nennen die auf jeden Fall so. Oder “schnelle Buxe”. Oder “Daddy-Shorts”. Ich mag sie. Dynamisch und perfekt für Beine, die volle Kanne braun werden wollen. Neben dem Rennen in den ankommenden Wellen hab ich den Boden weiter nach unten gedrückt. 100 Mal. Liegestütz wie ein Profi. Beim Laufen hatte ich je einen schweren Stein in der Hand. Danach meditierte ich und gab meinem Körper ca. 40 tiefe, saftige, erfrischende und belebende Atemzüge in den Bauch hinein. Studien sagen, dass dies dein Leben bis zu 7 Jahre verlängern kann: Jeden Tag bummelig 8 Minuten eine bestimmte Atemübung. 8 Minuten für 7 Jahre? Deal.

Nagut, das mit dem Meditieren war ein wenig geflunkert. Denn vor mir fing eine Surferin an, sich neben ihrem Board zu dehnen. Jap, auch sowas ist Meditieren. Fokus auf einen Arsch.. äh Punkt. Fokus auf einen Punkt.

Und jetzt sitze ich auf der Terrasse, mit dünnem Instantkaffee aus einer gelben Plastiktasse. Markus Rühl würde jetzt sagen: "Muss net schmegge, muss wirke."

Warum trinke ich dünnen Kaffee? Weil das Hostel nur dünnen Kaffee hat? Nee. Dünn, weil ich nach meinem fetten 6-Eier-Avocado-Paprika-Cheddar-Toast-Koma-Omlett noch ne zweite Tasse trinken wollte. Kaffee gibt meinem ADHS System nen kleinen Kick, den ich mir gerne abhole. Auch wenn ich auch liebend gerne ohne auskomme. Aber mit ist manchmal einfach nicer. Warum trinkst du eigentlich Kaffee? Wach werden? ADHS-Dopamin-Kick? Über die Jahre antrainierte Gewohnheit? Hinterfrag das mal (hinterfrage überhaupt alles und kick das aus deinem Leben, was sinnlos ist).

Rostige Gewichte und Kunstrasen anner Wand

Unter meinen Füßen und hinter mir am Rücken klebt Kunstrasen. Immerhin Rasen. Unser Gehirn kann eh nicht zwischen Gedanken und Realität unterscheiden.

Weißt du, was der Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit ist? Let me know.

Also gefällt mir der Rasen hier eigentlich ganz gut. Besser als Beton oder Schotter. Ich habe aber auch noch nie losen Schotter an ner Wand gesehen, Du?

Auf der mir gegenüberliegenden Seite der Terrasse liegen 9 rostige Gewichtsscheiben á 1,5 und 2 Kg. Und eine Kurzhantel. Hauptsache Gewicht, würde Markus Rühl wieder sagen, Hauptsache Gewicht.

Oh, eine Langhantel liegt auch noch versteckt unter der Bank. Und die Bretter der Bank sehen aus wie in Wasser aufgeweichte und dann gebogene alte Latten eines Bettes. Aber gemütlich sind sie. Ich sitze nämlich auch auf ihnen. Sehr gemütlich.

Pablo und die Steckdose

Mein Laptop leistet hier brutale Leistung. Der zieht die Gran Canaria Sonne nämlich wie einen Magneten an und wärmt sich Grad für Grad immer weiter auf. Sein Ziel? Kernschmelze.

Mein Akku ist gleich alle. Vielleicht sollte ich hier mal Solarpanels installieren. Das Ladekabel liegt zwar neben mir, aber ohne Steckdose ist das alles so sinnvoll wie n Besen in ner Wüste. Sara, eine deutsche Volunteer .. oder Voluntair? Egal. Sie hat mich hier gestern jedenfalls an meiner Anreise herzlich und strahlend empfangen. Also, Sara meinte, “Wir haben auf der Terrasse ne Steckdose.”

Wahrscheinlich ist die neben dem scheintoten und hustenden Rennradfahrer. Ich lasse ihm seinen letzten Frieden. Geben wir ihm mal einen Namen. Was hältst du voooon .. Pablo? Mir gefällt Pablo. Pablo wirkt auch so, als ob er von seiner Ehefrau flüchtete und nach irgendwelchen Antworten sucht. Oder einer neuen Frau. Wahrscheinlich wäre das für ihn das Gleiche.

Never Stop Dreaming

Ich verziehe mich mal in mein 4-Bett-Zimmer, in dem muckelige Tropentemperaturen herrschen. Natürlich ohne Klimaanlage, sondern mit einem sehr fleißigen, schwarzen, alten Ventilator. Ich teile das Zimmer mit Joe.. oder John? George? Ein Engländer auf jeden Fall. Ein echter chilliger Dude. Liebt jede Art von Sport. Und unter mir im Hochbett chillt ein spanischer Architekt. Wir beide haben seinen Namen vergessen.

Er erzählte mir von seinem Traum: “Large piece of land on which I want to build a village, with lots of small projects. Building everything step by step.”

Klang wundervoll. Ich glaube, er hat das Zeug dazu. Als er sagte: “But it’s just a dream, man.”, sprach ich ihm ins Herz zurück: “Bro. It’s YOUR DREAM. Never stop dreaming. Do it. Please. As you told me: Step by Step.”

Ich wünsche mir, sein nächster Schritt ist zum Greifen nahe und er gewinnt an Durchhaltevermögen und Selbstvertrauen.

Pura Vida

So heißt das Hostels und bedeutet so viel wie “Das pure Leben”.

Ist wohl ein bekannter Spruch aus Spanien, sagte mir Sara. Sara schreibt man übrigens mit “h” am Ende, wie sie mir später noch frech grinsend erklärte. Also.. S a r a h.

Pura Vida.. Das ist es für hier auch wirklich. Pur, echt, authentisch, liebevoll, reich an Geschichten und lächelnden Gesichtern. An den Wänden hängen Karten von Gran Canaria und den anderen Kanarischen Inseln. Selbstgemalte Bilder. Echt schöne und lebendige. Viele Flyer für Ausflüge über die Insel oder Kurse für Yoga und Surfen. Surfboards lehnen an der Wand und “Simply the Best” läuft gerade im Radio. Love it. Pura Vida eben.

Daher auch dieser Artikel. Hat er einen Kern? Sicher. Den verrate ich dir aber nicht, hehe. 

Vielleicht wirst du ja selbst herausfinden, was meine Intention hierfür ist. 

Wenn du vollkommen das Brett vor deinem Kopf hast: text me.

Genaaaau hier: Text Lukas.

Oder hier ↓

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