Meine Depression und Ich

Lukas: Ist hier jemand? Jemand, der weiß, wie ich mich fühle und warum ich fühle? Jemand, der das gleiche kennt? Jemand, der mich abholt und sagt „Die Reise wird eine voller Gefühle und neuer Ansichten"?

Depri: Hey.

Lukas: Hey, wer ist da, wer sind Sie?

Depri: Du kannst mich ruhig Duzen, ich bleibe länger bei dir. Gewöhn dich daran. Ich bin ein Gefühl, was du gesucht hast. Nachdem du gefragt hast. In deinem Leben, aber besonders in den letzten Jahren, wollte ich immer wieder zu dir, aber du hast es nicht zugelassen. Die Müdigkeit. Die Antriebslosigkeit. Die Sucht. Das Abstumpfen deiner Gefühle. Dein Licht ging langsam aus und du dachtest bloß es ist Nacht. Eine schier ewige Nacht. Aber nun hast du es geschafft.

Lukas: Okay, hey. Was für ein Gefühl habe ich gesucht? Und warum hast du es erst jetzt geschafft? Ich suche doch schon so lange nach einem tieferen Sinn und wahren, erfüllenden Gefühlen.

Depri: Es ist kein bestimmtes Gefühl, mehr eine Intensität oder Seltenheit. Und warum erst jetzt? Na weil du zuvor beschäftigt warst. Du hattest eine Freundin, wohntest noch in deiner Heimat und alle deine Freunde waren stets um dich. Es war selten still um dich herum. Außerdem hattest du noch eine größere, heilere Familie und gingst naiver durchs Leben.

Lukas: Also bist du nun bei mir, weil ich zuvor keine Zeit für dich hatte? Stimmt, ich war bis vor einigen Jahren noch in meiner Heimat, spielte Klavier, sah meine Freunde regelmäßig und lebte am Meer. Aber jetzt sitze ich im Büro, mit Menschen, die ich erst neu kennenlernen musste und Menschen, die ich eigentlich nicht kennenlernen wollte. Und arbeite dort, wo ich nie arbeiten wollte. Mit Aufgaben, die ich nie erledigen wollte. Irgendwie fühlt sich alles so schwer an. Also, nicht das Lachen oder das Essen, das Feiern oder das Sonnen im Park. Es sitzt tiefer. Wenn ich mich freue, dann freue ich mich. Wenn ich scherze, dann scherze ich. Wenn ich etwas erledige, dann mit Motivation. Aber dennoch fühlt es sich rückblickend nicht tief genug an. Nicht real genug. Nicht ich selbst. Warum bist du hier?

Depri: Ich lebe schon sehr lange, länger als du. Länger als deine Eltern und ihre Eltern. Mich gibt es schon seit Beginn der Menschen. Ich kenne die Menschen. Und einige von ihnen durften und dürfen mich kennenlernen. Viele von ihnen ohne dass sie es wollen und die anderen ohne, dass sie es merken.

Lukas: Warte, du bist bei den Menschen, die dich nicht wollen und es merken? Ist das nicht falsch?

Depri: Lukas, du musst wissen, es gibt kein Falsch. Es gibt aber auch kein Richtig. Es gibt nur Entscheidungen. Welche, die dich glücklich stimmen und helfen und die, die dir eine Lehre sind. Also, warum bin ich hier. Warum bin ich bei dir?

Lukas: Genau, warum. Warum darf ich deine Anwesenheit genießen?

Depri: Du musst wissen, du hast mich gewollt, nicht ich dich. Aber ich helfe dir, das mache ich immer. Ich helfe immer, aber es wird schwer. Es wird aber auch voller tiefer Gefühle sein, genau wie du es wolltest. Also, lasse dich darauf ein. Willkommen auf unserer gemeinsamen Reise, mein Freund.

Lukas: Ja, ich möchte wieder fühlen, tiefer als zuvor, länger als zuvor. Nachhaltiger. Und ich möchte wieder reisen, Hauptsache nicht weiter auf einer Stelle tanzen.

Depri: Was sind deine Träume?

Lukas: Meine Träume? Mh, ich möchte gerne ein gutes Einkommen haben und angesehen werden von der Gesellschaft. Aber ich würde auch gerne wieder meine Leidenschaften für mich entdecken.

Depri: Okay. Ich schenke dir ein gutes monatliches Einkommen, dazu noch einen Job, den die Gesellschaft anerkennt und für gutheißt. Und am Wochenende darfst du wieder Klavier spielen oder Gedichte schreiben. Bist du zufrieden?

Lukas: Ja! Ja, das ist es! Das hört sich gut an und es fühlt sich so gut an. Danke.

1 Jahr später...

Depri: Hey alter Freund, melde dich. Wie geht es dir?

Lukas: Hey..

Depri: Was ist los? Wie geht es dir, nun sag schon?

Lukas: Ich bin Soldat geworden. Der Beruf ernährt mich und bezahlt mir tolle Kleider, außerdem werde ich als Soldat von vielen geschätzt. Ich lache am Arbeitsplatz. Habe Spaß und Abwechslung. Ich arbeite und lebe unter der Woche in Berlin. Das ist echt cool. Wenn ich am Wochenende nach Hause fahre, sehe ich meine alten Freunde wieder und wir gehen jedes Mal feiern. Das macht viel Spaß, das brauche ich auch, bei dem tristen Alltag unter der Woche.

Depri: Das klingt doch ganz .. okay. Was ist denn mit dem Klavierspielen oder Gedichte schreiben, zeig mal was.

Lukas: Klavier spiele ich schon lange nicht mehr. Ich kann kaum noch etwas spielen.. Und Gedichte? Du wirst keine von mir sehen können. Die Muse hat mich verlassen. Obwohl, ein kleines habe ich für dich:


Tiefe Wunden kommen

Langsam wieder hoch.

Die Stunden verronnen,

Fand mich damals Tod.


Leblose Seele,

Ich lag ganz still.

Eben diese Leere

Macht mich wild.


Ein Grund zur Trauer,

Und ich schreie.

In mir wird`s lauter,

Wäre gern leise.


Ein schalldichter Raum,

Ich falle nie raus.

Ich suche das Fenster

Doch es wird nicht heller.


Depri: Lukas, was schreibst du da. Du hast doch alles, was du damals von mir wolltest.

Lukas: Ich habe alles und doch nichts. Ich schreibe und doch verstehe ich mich nicht. Ich fühle und doch sind mir meine Gefühle fremd,. Sie stehen immer neben mir, aber wollen nicht zu mir zurück.

Depri: Also, was willst du dann?

Lukas: Ich möchte .. mehr, nein weniger. Nein, was möchte ich denn?

Depri: Du hast es also erkannt. Nun wird es Zeit, dass Du Dich erkennst.

Und so begann die Reise mit Lukas und der Depression. Sie nahm ihn mit, hielt seine Hand, zog ihn in eine Richtung, aus der es kein Entkommen mehr gab. Aber Lukas hat sie nun mal gerufen und das war der Preis dafür. Über 4 Jahre lang wanderten, liefen und ruhten sie überall dort, wo es wichtige Erfahrungen für Lukas zu lernen gab. Sie besuchten Menschen mit Wissen aus tausend Büchern über das Denken und Fühlen. Sahen Naturen, die mehr als Millionen Jahre alt waren und schlossen sich in Räumen ein, die kein anderer betreten durfte. Die Reise wird nicht enden. Noch lange nicht. Aber das ist auch nicht gewollt. Mit der Zeit spürte Lukas, dass die Depression wirklich nur Gutes für ihn wollte. Und so wurden sie nicht nur Bekannte, sondern viel mehr Freunde. Freunde für ewig. 

Noch keine Kommentare vorhanden

Was denkst du?